Freitag, 6. Januar 2012

Die Ideologie hinter dem Deutschlandstipendium - warum Strothotte das Stipendium so feiert

Vielleicht sind schon manche über die Newsmeldung der Universität Regensburg mit dem Titel „Ein besonderes Geschenk für 76 Studierende“ auf der Universitäts-homepage gestolpert. Was sich so kurz vor Weihnachten wohl dahinter verbarg? Ganz klar: 76 Studierende dürfen sich freuen, denn ihnen hat das Christkind in Kooperation mit dem Bund, dem Rektor der Universität Regensburg und privaten GeldgeberInnen ein Deutschlandstipendium unter den Tannenbaum gelegt. Das ist ja wahrlich eine Freude, oder? Das UR-Watchblog hat das Ganze im Kontext des Wirkens des Rektors Prof. Dr. Thomas Strothotte genauer unter die Lupe genommen. 

Von Johanna Ertl, Martin Oswald und Marion Schmid

Großzügigkeit für die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes

76 Studierende bekommen an der Universität Regensburg ein Stipendium. Sogar der Oberbürgermeister und der Rektor selbst finanzieren jeweils ein Stipendium. Auch Lehrende werden gebeten sich zu beteiligen. Ein Projekt also, bei dem alle an einem Strang ziehen, um bedürftigen Studierenden ein besseres Auskommen zu gewähren? Damit auch Studierende aus sozial benachteiligten Verhältnissen sorgloser studieren können? Oh nein, darum geht es natürlich nicht. Worum es eigentlich geht, verrät schon der erste Satz der Newsmeldung:
„Nachwuchsförderung liegt den Partnern der Universität Regensburg am Herzen. Sie unterstützen junge Menschen gezielt bei der Entfaltung ihrer Talente und tragen auf diese Weise zur Zukunftsfähigkeit des Wirtschaft-standortes bei.“
Die Partner der Universität haben also ein Herz für junge Menschen und selbstverständlich auch für die Region. Und da beides so schön Hand in Hand geht und die wirt-schaftliche Verwertbarkeit der Talente junger Menschen offenbar ein ganz wesentlicher Universitätszweck ist, kann so ein Deutschlandstipendium eine richtig tolle Sache sein. Die Partner der Universität fördern Studierende, um damit zugleich den Wirtschaftsstandort zu fördern. Klasse Idee. Dass die Studierenden dabei nur Mittel zum Zweck sind, ist nicht so wichtig. Viel wichtiger ist welche Großzügigkeit das Deutschlandstipendium hervorlocken kann:
„Neben Unternehmen der Region, Institutionen und Vereinen unterstützen auch zahlreiche private Mäzene die Deutschlandstipendien an der Universität Regensburg. Eine besondere Idee hatte Dr. Nicolas Maier-Scheubeck, Geschäftsführer der Maschinenfabrik Rein-hausen GmbH (MR). Anlässlich seines runden Geburtstags in diesem Herbst bat er seine Freunde, anstelle von Geschenken die Deutsch-landstipendien zu unterstützen. Der auf diese Weise gespendete Geldbetrag wurde von Dr. Maier-Scheubeck großzügig aufgerundet, so-dass die Universität Regensburg aus dieser Aktion mehrere Stipendien an Studierende vergeben kann.“
Dr. Maier-Scheubeck, ein wahrer Menschenfreund. Ein Unternehmer verzichtet auf Geburtstagsgeschenke, um Studierenden Weihnachtsgeschenke zu ermöglichen. Eine Win-win-Situation par excéllence. Da gibt´s also das Leistungsgütezertifikat samt 300 Euro unter dem Weih-nachtsbaum und Maier-Scheubeck freut sich, dass er den Wirtschaftsstandort Regensburg stärkt. Und Rektor Stro-thotte freut sich gleich mit.
Letzterer führt auch gleich acht gute Gründe an, warum sich private GeldgeberInnen beteiligen sollten: Gesell-schaftliches Engagement, Schaffung von Mehrwert, Netzwerkerweiterung, Imagegewinn, Stärkung der Region, Förderung von Talenten, Talent Management und Steuervorteile. Attraktive Aussichten für Unternehmen. Wie intensiv und zuvorkommend die Universität um Förderer wirbt, dürfte selbst in schleimerprobten Kreisen als eine sehr gebieterische Anbiederung verstanden werden. Ein Rektor, der fast auf Knien mit Hut in den Händen um jeden einzelnen Cent für den „leistungsfähigen Nachwuchs“ bettelt und dabei um keine Lobeshymne auf die Geldgeber verlegen ist. Es hat System im System Strothotte, denn es geht um Image, jede Menge Geld und Kungelei. Um Studierende geht es dabei nicht wirklich. 
Fassen wir zusammen: ein paar Studierende bekommen ein bisschen Geld, private Mäzene und Unternehmen gute Presse und die Universität... ja, was bekommt die Universität eigentlich?

"Zukunftsweisende Hochschulpolitik ist Standort-politik"

Finanziell profitiert die Universität nicht vom Deutsch-landstipendium, im Gegenteil: durch Werbemaßnahmen, die Zusammenstellung des Vergabegremiums, die Geld-verwaltung, die Akquise und weitere bürokratische Akte zahlt die Universität vermutlich sogar einige Euro drauf. Weshalb also dieser Aufwand? 
Die Universität profitiert vielleicht nicht unmittelbar, mittelbar allerdings schon - so zumindest die Hoffnung von Rektor Strothotte. Denn seit seinem Amtsantritt betreibt der sonst eher glücklose und wenig angesehene Strothotte eine Profilbildung der Universität, die ganz im Zeichen des neoliberalen Zeitalters steht. Unnachgiebig in Fragen der Studiengebühren oder studentischer Mitbestimmung feilt er an der Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit der Universität Regensburg.
Allerdings ist er dabei auch nur ein Getriebener. "Studien" wie etwa das Papier "Mehr Exzellenz an bayerischen Hochschulen - Herausforderungen und Handlungs-empfehlungen" der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw) von 2009 dürften sich in seiner obersten Schreibtischschublade befinden. Strothotte, der darin selbst als Workshopteilnehmer in der Danksagung geführt wird, ist ausführendes Organ der in diesem durch und durch neoliberalen Pamphlet formulierten Handlungsanleitungen an die entfesselte und unternehmerische Hochschule (für die Projektdurchführung war übrigens der Bertelsmann-ableger CHE Consult beauftragt). Folgender Satz des Hauptgeschäftsführers der vbw Brossardt aus dem Vorwort der Studie könnte glatt von Strothotte stammen: 
"Eine zukunftsweisende Hochschulpolitik ist Standortpolitik. Die bayerische Wirtschaft braucht hervorragend ausgebildete Hochschul-absolventinnen und -absolventen. Sie sind die Basis für Innovationen und damit für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit bayeri-scher Unternehmen." 
In punkto neoliberaler Phrasendrescherei nehmen sich die beiden nichts.

Manager Strothotte kommerzialisiert die Univer-sität

Doch zurück zur Universität Regensburg. Die Teilnahme an der Exzellenzinitiative für die Graduiertenschule Ost- und Südosteuropastudien, die fast schon diebische Freude über mehrere „Spitzenplätze“ in einer CHE-Sonderauswertung Ende 2011, die Benennung eines ganzen Universitäts-gebäudes nach einem - wohlgemerkt noch lebenden - Immobilienunternehmer (siehe SignatUR Oktober 2011, S. 25), die verstärkte Zulassung von Promoting-Veranstal-tungen am Campus, die zunehmende Einwerbung von Drittmitteln (siehe Jahresbericht 2010, S. 11/12) etc. Eine nicht enden wollende Vermarktungs- und Kommer-zialisierungskette an der Universität Regensburg. 
Und nun das Deutschlandstipendium - ein Public-Private-Partnership-Projekt (PPP) im Bildungsbereich. Wozu? Um mit Strothotte zu sprechen: 
„Die gemeinsame Förderung durch private Mittelgeber und Bund unterstützt die Stipendiaten beim Erreichen ihrer Studienziele und stärkt die für unsere Zukunftsfähigkeit immer bedeutsameren Netzwerke von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.“ (Link
Und Manager Strothotte hat natürlich noch eine weitere Weisheit auf Lager:
„Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes hängen mehr denn je von gemeinsamen Spitzenleistungen aus Wirtschaft und Wissen-schaft ab.“ (Link)
Es verwundert daher nicht mit welchem Nachdruck der Rektor das Deutschlandstipendium forciert. Schließlich ist es ein medien- und öffentlichkeitswirksamer Weg, um weitere Drittmittel und PPP-Angebote anzuwerben, die Universität zu kommerzialisieren und ihre Autonomie zunehmend in privatwirtschaftliche Abhängigkeit zu führen. Aus dem besonderen Geschenk für 76 Studierende sollen also alsbald ganz viele Geschenke für das Unternehmen Universität Regensburg werden. 
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Hintergundinformation:

Das sogenannte Deutschlandstipendium wurde im Rahmen des Gesetzes zur Schaffung eines nationalen Stipendien-programms (StipG) auf Betreiben der christlich-liberalen Koalition zum 01.08.2010 eingeführt. Nach einiges Anlaufschwierigkeiten begannen die meisten Hochschulen und Universitäten erst im Laufe des Wintersemesters 2011/12 mit der Umsetzung (2/3 aller Hochschulen sollen sich mittlerweile daran beteiligen).
Das Gesetz sieht eine einkommens- und elternunabhängige Förderung von Studierenden mit monatlich 300 Euro vor. Die Hochschulen werben dafür von Privatpersonen, Unternehmen, Alumni etc. jeweils die Hälfte ein, die andere Häflte legt der Bund dazu.
Förderungskriterien sind insbesondere Leistung, gute Noten, gute Berufsausssichten und soziales bzw. studentisches Engagement. Ausgewählt werden die Stipen-diatInnen von eigens dafür geschaffenen Ausschüssen, in denen auch eine starke Beteiligung der privaten Mittel-geberInnen vorgesehen ist. 

Weitere Informationen dazu gibt es hier:

Ein kritischer Artikel zur Einführung des Deutschlandstipendium: 

6 Kommentare:

  1. Ich kann bei diesem Link "Exzellenzinitiative für die Graduiertenschule Ost- und Südosteuropastudien" nichts über eine Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien finden

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  2. Harro Lührmann, Maschinenfabrik Reinhausen, sagte es anläßlich der Stipendienvergabe an der HS.R in dankenswerter Offenheit: „Deutschland braucht leistungsfähigen Nachwuchs. Von dieser lohnenden Investition in den Nachwuchs an der Hochschule erhoffen wir uns erhebliche 'Rendite'“. Ich bin aber auch für Rendite, voll! Rendite für die Menschen, nicht für die Wirtschaft. (Nebenbei: Die Rentabilität der Wirtschaft für die Menschen ist zur Zeit negativ, siehe Klimawandel, 1 Mrd Hungernde, Kriegstreiberei, Ressourcenverschwendung, Pauperisierung, etc. pp.)

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  3. @Herzi: der Link führt zum 7. Rektorbrief, in dem unter Punkt 1. die überschrittene erste Hürde bei der Exzellenzinitiative erwähnt wird.

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  4. Weiß mensch, welches Gremium in Regensburg über die Vergabe entscheidet? Und gibt es Zahlen, wie sich die Stipis auf bestimmte Fachrichtungen verteilen? Ich hab da ja meine Vermutungen...

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  5. In Regensburg entscheidet - wie auch anderswo ein speziell dafür konstituierte Vergabegremium. Die Zusammensetzung obliegt der Universität. Es gibt dazu keine verbindlichen Vorgaben. Allerdings sollen sowohl Studierende, VertreterInnen der Universität und als auch GeldgeberInnen beteiligt werden.
    Ich weiß bisher von zwei Mitgliedern: Stefan Christoph (Studentischer Sprecher, Senator a.D) und Raimund Lehle (Vorsitzender des Studentischen Konvents, Studentischer Sprecher a.D.).
    Zahlen gibt es meines Wissens noch nicht, zumindest keine öffentlich zugänglichen.
    Das UR-Watchblog wird diesbezüglich weiter recherchieren. Auch wir haben natürlich Vermutungen und halten die Verteilung - wie auch immer sie aussieht - für sehr interessant.

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  6. Super, vielen Dank!

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