Ein Kommentar von Marion Schmid.
Die Autorin ist politisch aktiv beim SDS Regensburg und kandidiert bei den anstehenden Hochschulwahlen auf der Konventsliste der Bieraten.
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Die alljährliche Posse
„Hochschulwahlkampf“. Es ist ja sicherlich alles ganz nett
gemeint, aber wenn ich mir einen ehrlichen Kommentar erlauben darf:
Jedes Jahr die gleiche Scheiße.
Viele Beteiligte geben sich auf einmal
ganz busy, kommen in Sakko und Seidenstrümpfen an die Uni und die
VertreterInnen der einzelnen etablierten Hochschulgruppen und
Spaßlisten überschlagen sich fast in ihrem Aktionismus.
Wahlprogramm hier, provokantes Plakat dort und dazu ein
aussagekräftiges Statement. Am besten so was wie „Für eine starke
Stimme“. So oder so ähnlich.
Bei etwas genauerem Hinsehen sieht das
so aus: Die Bunte Liste streut Wahlflyer: 'Das haben wir schon
erreicht' und 'Das wollen wir noch erreichen' und veröffentlicht
erneut ein Grundsatzprogramm. Gute Grundsätze, nur wen
interessiert's? W-LAN überall und 100% regenerativer Strom. Find ich
super, aber dafür brauche ich aber keinen Konvent. Denn der hat
diese positiven Veränderungen nicht bewirkt. Nicht zu vergessen, was
seit Jahren auf den Flyern steht: Wir wollen noch erreichen, dass die
Studiengebühren abgeschafft werden und bitte mehr Mitbestimmung für
Studierende.
Auch die LAF/Juso-Hochschulgruppe ist
natürlich für die Wiedereinführung einer verfassten
Studierendenschaft, die Erhöhung des BaFöG und – ach ja – die
Abschaffung der Studiengebühren. Was sonst? Mit dieser alljährlichen
„Forderung“ lockt man aber niemand mehr hinterm Ofen vor. Denn es
scheint, als würden diese altbekannten Forderungen nur noch
hinterhergezogen, um eben auch eine hochschulpolitische
Daseinsberechtigung zu demonstrieren. Sonst könnte man ja gleich
alle in einen Topf werfen.
Der RCDS verteilt Wasserflaschen an
durstige Sportler. Ja, die haben kapiert, wie man die Stimmen der
WählerInnen fängt. Im Wahlkampf gibt man sich betont
studentenfreundlich (Anm.: Mit Absicht nicht gegendert) und geht auf
alltägliche Probleme ein. Im letzten Jahr noch ganz witzig mit der
Forderung „Fleisch statt EHEC“. Heuer die Wasserflaschen für die
Sportler. Außerdem gibt’s ein Wahlprogramm 2012: Mehr Parkplätze,
sicherer Weg für die Damen spät abends (am besten videoüberwacht),
längere Cafeten-Öffnungszeiten. Da schlägt das Studentenherz
höher. Mit Studiengebühren hat man sich abgefunden und was will ich
mit studentischer Mitbestimmung, wenn ich an der Uni eh nur drei
Jahre meinen Bachelor of Arsch mache.
Weiter sind für den studentischen
Konvent noch die Fachschaftsinitiativen Lehramt und Zahnmedizin sowie
das BLLV-Heim aufgestellt, die sich aber aus dem hochschulpolitischen
Kleinkrieg weitestgehend raushalten. Jedoch lassen diese
Wahlvorschläge vermuten, wohin der Weg gehen soll. Weg vom
politischen und Hin zu den alltäglichen Problemen. Vor einigen
Semestern gab es dafür übrigens eine extra Hochschulgruppe: PdA
(Probleme des Alltags).
Nicht zu vergessen natürlich die
Schwarze Liste, die nun schon das zweite Mal antritt und sich
momentan mit den Bieraten darum streitet, wer das meiste Bier
verträgt. Ein etwas anderer Wahlkampf, von dem man denken kann, was
man will. Jedoch kann eine Spaßliste nicht ernsthaft für eine
Verbesserung der derzeitigen Studiensituation kämpfen. Diese Listen
machen sich entweder einen Spaß aus dieser Posse oder sie karikieren
das derzeitige Treiben.
Mitglieder des SprecherInnenrates
(unglaubliche 350 Facebook-Likes) springen regelmäßig für eine
Fortbestehen des studentischen Konvents in die Bresche. Logisch, denn
schließlich wird der SprecherInnenrat vom Konvent gewählt. Also
angeblich gewählt. Eigentlich wird sich ja schon vorher ausgemacht,
wer für welche Posten in Frage kommt und so steht in der Sitzung
dann meist pro Referat auch nur ein Kandidat oder eine Kandidatin zur
'Wahl'.
Jedenfalls weist der SprecherInnenrat
Kritikerinnen und Kritiker auf Anfrage regelmäßig auf Folgendes
hin: Man möge doch bitteschön endlich annehmen, dass die
Studierendenvertretung (und dabei scheint es egal, in welcher Form
diese besteht, gewählt ist schließlich gewählt) sehr wohl positive
Veränderungen herbeigeführt hätte. Der Punkt, dass nichts (und
wenn dann überhaupt nur sehr wenig) auf Initiative der
VertreterInnen im Konvent passiert ist, wird in konsequenter Weise
mit Nichtbeachtung gestraft.
Für die restlichen Studierenden ist
schwer nachzuvollziehen, was eigentlich in den Sitzungen geschieht,
denn Protokolle werden seit Mai 2011 nicht mehr veröffentlicht.
Wenigstens versucht der SprecherInnenrat, auf seiner Facebook-Seite
zeitnah auf Sitzungen hinzuweisen, stets mit dem Vermerk, dass jedeR
willkommen sei. Dass diese Einladungen selten bis gar nicht
angenommen werden (übrigens beizeiten auch von gewählten
VertreterInnen), nimmt man wohl als Rechtfertigung dafür, dass das
alles schon so passen würde. Und daneben wird eben in regelmäßigen
Abständen vom SprecherInnenrat aufgezählt, was man schon alles
erreicht hätte oder woran gerade gearbeitet werde. Ohne Zweifel
viele unterstützenswerte Dinge, wie Einführung von Richtlinien für
eine familienfreundliches Studium oder veganen Essens in der Mensa.
Doch niemand erklärt mir auf nachvollziehbare Art und Weise, warum
dies eine Rechtfertigung dafür ist, sich für ein Fortbestehen des
Konvents in seiner derzeitigen Form einzusetzen. JedeR einzelne kann
sich beim Studentenwerk beispielsweise für veganes Essen in den
Cafeten oder der Mensa einsetzen. In dem Fall hat meine Stimme nicht
weniger oder mehr Gewicht als die eines gewählten Vertreters oder
einer gewählten Vertreterin. Aber erklären, wie das geht, das tut
niemand. Mir wird nur erklärt, wie ich wähle, wen ich wähle und
für was das gut sein soll. Ach, und wenn ich Fragen habe, kann ich
natürlich jederzeit im Büro des SprecherInnenrates über der
Uni-Pizzeria vorbeischauen. Wenn ich da aber vorbeischaue und darum
bitte, mir den Ordner über die aktuellen Verwendungsvorschläge der
Studiengebühren durchsehen zu können, wird’s schon etwas
schwieriger. Das seien Interna. Ja, Interna die auch mich betreffen,
denn ich überweise diese Studiengebühren. Das ist nicht die Hilfe,
die ich mir von einer Studierendenvertretung erwarte. Und zum Thema
„Offen für JedeN“, dass sich auch der SprecherInnenrat auf die
Fahnen schreibt: Einer Kommilitonin, die im Büro des
SprecherInnenrates nachgefragt hatte, wo man hier so mitarbeiten
könne wurde gesagt, sie solle sich doch erstmal in einer Fachschaft
engagieren, um einen Einblick zu bekommen.
Scheinbar fühlen sich alle ganz wohl
in dieser hochschulpolitischen Blase, aus der man merklich nur in
Wahlkampfzeiten ausbricht. Kurz. Und dann verschwindet man wieder im
Unialltag und für die nächsten Monate ist Ruhe im Karton und das
Spiel beginnt von Neuem. Ich frage mich, warum Hochschulgruppen wie
die Bunte Liste oder die LAF/Jusos immer noch dieses System der
Scheindemokratie unterstützen, wo sie doch eigentlich laut
Wahlflyern für eine studentische Mitbestimmung kämpfen. Warum
weigert man sich konsequent, neue Wege zu beschreiten, mal ein
Experiment zu starten, wie beispielsweise die Wahl zu boykottieren?
Das Einstehen für die eigenen Ideale muss doch mehr sein, als eine
einfach Gewinn- und Verlust-Rechnung. Wo bleiben die neuen Ideen, der
Pfeffer, der Aufruhr und die Unangepasstheit? Wer, wenn nicht wir?
Gähn. Ich frage mich manchmal schon, wohin die politischen Ideale
beispielsweise der Besetzung oder zahlreicher Demos verdampft sind.
Entweder sind die Vertreterinnen und Vertreter mittlerweile zermürbt
(was die ungewohnt hohe Anzahl an KandidatInnen-Frischfleisch
erklären würde) oder – was bedeutend schlimmer wäre – sie
haben sich den Gegebenheiten angepasst.
Vielleicht ist es auch Angst, dass man
sich eingestehen müsste, man hätte den falschen Weg gewählt. Aber
aus Fehlern lernt man doch, oder? Nein, natürlich ist es kein
Fehler, sich in der Art und Weise zu engagieren, wie es uns das
bayerische System vorgibt, warum auch? Schließlich werden wir ab und
an auch mal gepampert, wenn wir von MedienvertreterInnen beachtet
werden oder aus der Verwaltung angeblich ziemlich vertrauliche Infos
kommen. Aber was nützen mir denn diese Infos? Nichts, denn dadurch
dass ich sie vertraulich behandeln muss, mache ich mich zum
Spielball. Und ich lasse mich gegen die Leute ausspielen, deren
Vertretung ich eigentlich sein sollte. Dann frage ich mich schon, was
diese Informationen und die zeitweise Beachtung meiner Arbeit noch
wert sind. Einen feuchten Dreck nämlich. Denn dann habe ich mich
verkauft. Aber wer lässt sich heutzutage schon noch von und mit
Idealen beeindrucken. Neuerdings sieht das so aus: WählerInnen
kriegt man, wenn man für mehr Ketchupspender und flächendeckendes
W-LAN ist. In diesem Punkt kann sehr wohl man alle in einen Topf
werfen. Und die BLer und Jusos hängen sich noch Parolen an wie
„Abschaffung der Studiengebühren“ oder „Mehr studentische
Mitbestimmung“. Aber wer soll euch das glauben? Ich glaub's nicht
mehr. Ist für mich nicht mehr als ein schöner Schlüsselanhänger.
Vielleicht hat ja der RCDS heuer einen im Angebot.
Ich habe keinen Masterplan. Ich weiß
auch nicht, welcher der richtige Weg ist. Was aber gerade und in den
vergangenen Semestern an der Uni Regensburg auf hochschulpolitischer
Ebene passiert ist und passiert stößt mir ziemlich sauer auf. Und
ich verstehe beim besten Willen nicht, warum man an einem System
festhält, das die freie Entfaltung der Studierenden seit Jahrzehnten
untergräbt. Bei Kritik folgen wahlweise Selbstbeweihräucherung oder
Selbstmitleid. Man gebe sich soviel Mühe, es mache alles soviel
Arbeit und schließlich erreiche man ja auch etwas. Nur eben halt
langsam. Aber neue Wege beschreiten, dafür ist scheinbar nicht die
Zeit. Die Wahl zu boykottieren, wie der SDS, nein, das wäre nicht
das richtige. Aber warum sträubt man sich so dagegen? Man müsste
dann schließlich die hart erarbeiteten Posten aufgeben. Dass man
hier im Sinne der Studierenden handeln würde, das glaub doch kein
Mensch mehr. Die Arbeit und das Engagement einiger studentischer
VertreterInnen möchte ich nicht schmälern. Aber es ist mir einfach
zu angepasst. Ich sage ja nicht: „Bitte tut nichts mehr.“ Ich
fordere einfach: „Macht es anders! Lasst uns gemeinsam etwas
verändern!“ Und bitte auf der sachlichen und konstruktiven Ebene. Auf persönlichen Kleinkrieg kann ich getrost verzichten...
Vielleicht ist es einfach nicht die
Zeit. Vielleicht ist es vergebliche Liebesmühe, ständig darauf zu
pochen, sich doch einfach mal aufzulehnen. Wenigstens ein bisschen.
Aber diese Spiel nur zu beobachten, ohne es zu kommentieren, ist
schlimmer. Und deswegen habe ich dieses Statement abgegeben.
Wohlwissend, dass ich mir damit in der Hochschulpolitik sicherlich
keine FreundInnen mache. Aber ich muss ja nicht freundlich sein und
mich den Gegebenheiten anpassen.
Super Text. Doch das traurige: Der Konventsvorsitzende, der früher mal Mitglied des SprecherInnenrates war und die Senatorin, die früher mal Konventsvorsitzende war und der abgewählte Senator, der jetzt wieder Mitglied des SprecherInnenrates ist und all die anderen Blaseninsassen werden den Text nicht einmal nachvollziehn können, weil diesen Text nicht verstehen, aus Selbsterhaltungstrieb. Sonst würde die Blase ja auch platzen...
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