Montag, 18. Juni 2012

Wählen lassen und Fresse halten!

Ein Kommentar von Marion Schmid
Die Autorin ist politisch aktiv beim SDS Regensburg und kandidiert bei den anstehenden Hochschulwahlen auf der Konventsliste der Bieraten.
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Die alljährliche Posse „Hochschulwahlkampf“. Es ist ja sicherlich alles ganz nett gemeint, aber wenn ich mir einen ehrlichen Kommentar erlauben darf: Jedes Jahr die gleiche Scheiße.
Viele Beteiligte geben sich auf einmal ganz busy, kommen in Sakko und Seidenstrümpfen an die Uni und die VertreterInnen der einzelnen etablierten Hochschulgruppen und Spaßlisten überschlagen sich fast in ihrem Aktionismus. Wahlprogramm hier, provokantes Plakat dort und dazu ein aussagekräftiges Statement. Am besten so was wie „Für eine starke Stimme“. So oder so ähnlich.
Bei etwas genauerem Hinsehen sieht das so aus: Die Bunte Liste streut Wahlflyer: 'Das haben wir schon erreicht' und 'Das wollen wir noch erreichen' und veröffentlicht erneut ein Grundsatzprogramm. Gute Grundsätze, nur wen interessiert's? W-LAN überall und 100% regenerativer Strom. Find ich super, aber dafür brauche ich aber keinen Konvent. Denn der hat diese positiven Veränderungen nicht bewirkt. Nicht zu vergessen, was seit Jahren auf den Flyern steht: Wir wollen noch erreichen, dass die Studiengebühren abgeschafft werden und bitte mehr Mitbestimmung für Studierende.
Auch die LAF/Juso-Hochschulgruppe ist natürlich für die Wiedereinführung einer verfassten Studierendenschaft, die Erhöhung des BaFöG und – ach ja – die Abschaffung der Studiengebühren. Was sonst? Mit dieser alljährlichen „Forderung“ lockt man aber niemand mehr hinterm Ofen vor. Denn es scheint, als würden diese altbekannten Forderungen nur noch hinterhergezogen, um eben auch eine hochschulpolitische Daseinsberechtigung zu demonstrieren. Sonst könnte man ja gleich alle in einen Topf werfen.

Der RCDS verteilt Wasserflaschen an durstige Sportler. Ja, die haben kapiert, wie man die Stimmen der WählerInnen fängt. Im Wahlkampf gibt man sich betont studentenfreundlich (Anm.: Mit Absicht nicht gegendert) und geht auf alltägliche Probleme ein. Im letzten Jahr noch ganz witzig mit der Forderung „Fleisch statt EHEC“. Heuer die Wasserflaschen für die Sportler. Außerdem gibt’s ein Wahlprogramm 2012: Mehr Parkplätze, sicherer Weg für die Damen spät abends (am besten videoüberwacht), längere Cafeten-Öffnungszeiten. Da schlägt das Studentenherz höher. Mit Studiengebühren hat man sich abgefunden und was will ich mit studentischer Mitbestimmung, wenn ich an der Uni eh nur drei Jahre meinen Bachelor of Arsch mache.
Weiter sind für den studentischen Konvent noch die Fachschaftsinitiativen Lehramt und Zahnmedizin sowie das BLLV-Heim aufgestellt, die sich aber aus dem hochschulpolitischen Kleinkrieg weitestgehend raushalten. Jedoch lassen diese Wahlvorschläge vermuten, wohin der Weg gehen soll. Weg vom politischen und Hin zu den alltäglichen Problemen. Vor einigen Semestern gab es dafür übrigens eine extra Hochschulgruppe: PdA (Probleme des Alltags).
Nicht zu vergessen natürlich die Schwarze Liste, die nun schon das zweite Mal antritt und sich momentan mit den Bieraten darum streitet, wer das meiste Bier verträgt. Ein etwas anderer Wahlkampf, von dem man denken kann, was man will. Jedoch kann eine Spaßliste nicht ernsthaft für eine Verbesserung der derzeitigen Studiensituation kämpfen. Diese Listen machen sich entweder einen Spaß aus dieser Posse oder sie karikieren das derzeitige Treiben.

Mitglieder des SprecherInnenrates (unglaubliche 350 Facebook-Likes) springen regelmäßig für eine Fortbestehen des studentischen Konvents in die Bresche. Logisch, denn schließlich wird der SprecherInnenrat vom Konvent gewählt. Also angeblich gewählt. Eigentlich wird sich ja schon vorher ausgemacht, wer für welche Posten in Frage kommt und so steht in der Sitzung dann meist pro Referat auch nur ein Kandidat oder eine Kandidatin zur 'Wahl'.
Jedenfalls weist der SprecherInnenrat Kritikerinnen und Kritiker auf Anfrage regelmäßig auf Folgendes hin: Man möge doch bitteschön endlich annehmen, dass die Studierendenvertretung (und dabei scheint es egal, in welcher Form diese besteht, gewählt ist schließlich gewählt) sehr wohl positive Veränderungen herbeigeführt hätte. Der Punkt, dass nichts (und wenn dann überhaupt nur sehr wenig) auf Initiative der VertreterInnen im Konvent passiert ist, wird in konsequenter Weise mit Nichtbeachtung gestraft.
Für die restlichen Studierenden ist schwer nachzuvollziehen, was eigentlich in den Sitzungen geschieht, denn Protokolle werden seit Mai 2011 nicht mehr veröffentlicht. Wenigstens versucht der SprecherInnenrat, auf seiner Facebook-Seite zeitnah auf Sitzungen hinzuweisen, stets mit dem Vermerk, dass jedeR willkommen sei. Dass diese Einladungen selten bis gar nicht angenommen werden (übrigens beizeiten auch von gewählten VertreterInnen), nimmt man wohl als Rechtfertigung dafür, dass das alles schon so passen würde. Und daneben wird eben in regelmäßigen Abständen vom SprecherInnenrat aufgezählt, was man schon alles erreicht hätte oder woran gerade gearbeitet werde. Ohne Zweifel viele unterstützenswerte Dinge, wie Einführung von Richtlinien für eine familienfreundliches Studium oder veganen Essens in der Mensa. Doch niemand erklärt mir auf nachvollziehbare Art und Weise, warum dies eine Rechtfertigung dafür ist, sich für ein Fortbestehen des Konvents in seiner derzeitigen Form einzusetzen. JedeR einzelne kann sich beim Studentenwerk beispielsweise für veganes Essen in den Cafeten oder der Mensa einsetzen. In dem Fall hat meine Stimme nicht weniger oder mehr Gewicht als die eines gewählten Vertreters oder einer gewählten Vertreterin. Aber erklären, wie das geht, das tut niemand. Mir wird nur erklärt, wie ich wähle, wen ich wähle und für was das gut sein soll. Ach, und wenn ich Fragen habe, kann ich natürlich jederzeit im Büro des SprecherInnenrates über der Uni-Pizzeria vorbeischauen. Wenn ich da aber vorbeischaue und darum bitte, mir den Ordner über die aktuellen Verwendungsvorschläge der Studiengebühren durchsehen zu können, wird’s schon etwas schwieriger. Das seien Interna. Ja, Interna die auch mich betreffen, denn ich überweise diese Studiengebühren. Das ist nicht die Hilfe, die ich mir von einer Studierendenvertretung erwarte. Und zum Thema „Offen für JedeN“, dass sich auch der SprecherInnenrat auf die Fahnen schreibt: Einer Kommilitonin, die im Büro des SprecherInnenrates nachgefragt hatte, wo man hier so mitarbeiten könne wurde gesagt, sie solle sich doch erstmal in einer Fachschaft engagieren, um einen Einblick zu bekommen.

Scheinbar fühlen sich alle ganz wohl in dieser hochschulpolitischen Blase, aus der man merklich nur in Wahlkampfzeiten ausbricht. Kurz. Und dann verschwindet man wieder im Unialltag und für die nächsten Monate ist Ruhe im Karton und das Spiel beginnt von Neuem. Ich frage mich, warum Hochschulgruppen wie die Bunte Liste oder die LAF/Jusos immer noch dieses System der Scheindemokratie unterstützen, wo sie doch eigentlich laut Wahlflyern für eine studentische Mitbestimmung kämpfen. Warum weigert man sich konsequent, neue Wege zu beschreiten, mal ein Experiment zu starten, wie beispielsweise die Wahl zu boykottieren? Das Einstehen für die eigenen Ideale muss doch mehr sein, als eine einfach Gewinn- und Verlust-Rechnung. Wo bleiben die neuen Ideen, der Pfeffer, der Aufruhr und die Unangepasstheit? Wer, wenn nicht wir? Gähn. Ich frage mich manchmal schon, wohin die politischen Ideale beispielsweise der Besetzung oder zahlreicher Demos verdampft sind. Entweder sind die Vertreterinnen und Vertreter mittlerweile zermürbt (was die ungewohnt hohe Anzahl an KandidatInnen-Frischfleisch erklären würde) oder – was bedeutend schlimmer wäre – sie haben sich den Gegebenheiten angepasst.

Vielleicht ist es auch Angst, dass man sich eingestehen müsste, man hätte den falschen Weg gewählt. Aber aus Fehlern lernt man doch, oder? Nein, natürlich ist es kein Fehler, sich in der Art und Weise zu engagieren, wie es uns das bayerische System vorgibt, warum auch? Schließlich werden wir ab und an auch mal gepampert, wenn wir von MedienvertreterInnen beachtet werden oder aus der Verwaltung angeblich ziemlich vertrauliche Infos kommen. Aber was nützen mir denn diese Infos? Nichts, denn dadurch dass ich sie vertraulich behandeln muss, mache ich mich zum Spielball. Und ich lasse mich gegen die Leute ausspielen, deren Vertretung ich eigentlich sein sollte. Dann frage ich mich schon, was diese Informationen und die zeitweise Beachtung meiner Arbeit noch wert sind. Einen feuchten Dreck nämlich. Denn dann habe ich mich verkauft. Aber wer lässt sich heutzutage schon noch von und mit Idealen beeindrucken. Neuerdings sieht das so aus: WählerInnen kriegt man, wenn man für mehr Ketchupspender und flächendeckendes W-LAN ist. In diesem Punkt kann sehr wohl man alle in einen Topf werfen. Und die BLer und Jusos hängen sich noch Parolen an wie „Abschaffung der Studiengebühren“ oder „Mehr studentische Mitbestimmung“. Aber wer soll euch das glauben? Ich glaub's nicht mehr. Ist für mich nicht mehr als ein schöner Schlüsselanhänger. Vielleicht hat ja der RCDS heuer einen im Angebot.

Ich habe keinen Masterplan. Ich weiß auch nicht, welcher der richtige Weg ist. Was aber gerade und in den vergangenen Semestern an der Uni Regensburg auf hochschulpolitischer Ebene passiert ist und passiert stößt mir ziemlich sauer auf. Und ich verstehe beim besten Willen nicht, warum man an einem System festhält, das die freie Entfaltung der Studierenden seit Jahrzehnten untergräbt. Bei Kritik folgen wahlweise Selbstbeweihräucherung oder Selbstmitleid. Man gebe sich soviel Mühe, es mache alles soviel Arbeit und schließlich erreiche man ja auch etwas. Nur eben halt langsam. Aber neue Wege beschreiten, dafür ist scheinbar nicht die Zeit. Die Wahl zu boykottieren, wie der SDS, nein, das wäre nicht das richtige. Aber warum sträubt man sich so dagegen? Man müsste dann schließlich die hart erarbeiteten Posten aufgeben. Dass man hier im Sinne der Studierenden handeln würde, das glaub doch kein Mensch mehr. Die Arbeit und das Engagement einiger studentischer VertreterInnen möchte ich nicht schmälern. Aber es ist mir einfach zu angepasst. Ich sage ja nicht: „Bitte tut nichts mehr.“ Ich fordere einfach: „Macht es anders! Lasst uns gemeinsam etwas verändern!“ Und bitte auf der sachlichen und konstruktiven Ebene. Auf persönlichen Kleinkrieg kann ich getrost verzichten...

Vielleicht ist es einfach nicht die Zeit. Vielleicht ist es vergebliche Liebesmühe, ständig darauf zu pochen, sich doch einfach mal aufzulehnen. Wenigstens ein bisschen. Aber diese Spiel nur zu beobachten, ohne es zu kommentieren, ist schlimmer. Und deswegen habe ich dieses Statement abgegeben. Wohlwissend, dass ich mir damit in der Hochschulpolitik sicherlich keine FreundInnen mache. Aber ich muss ja nicht freundlich sein und mich den Gegebenheiten anpassen.

1 Kommentar:

  1. Super Text. Doch das traurige: Der Konventsvorsitzende, der früher mal Mitglied des SprecherInnenrates war und die Senatorin, die früher mal Konventsvorsitzende war und der abgewählte Senator, der jetzt wieder Mitglied des SprecherInnenrates ist und all die anderen Blaseninsassen werden den Text nicht einmal nachvollziehn können, weil diesen Text nicht verstehen, aus Selbsterhaltungstrieb. Sonst würde die Blase ja auch platzen...

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