Dienstag, 30. Oktober 2012

Ein Ticket, das allen nutzt... oder?

Ein ausführlicher Kommentar zum Regensburger Semesterticket von Martin Oswald

Seit einigen Wochen erhitzt ein heikles Thema die Gemüter in und um Regensburg: Das Semesterticket. Doch warum eigentlich? Worum geht es?

Es ist nicht ungewöhnlich, dass der RVV (Regensburger Verkehrsverbund) und das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz als Vertragspartner über den Preis des Regensburger Semestertickets verhandeln, der von den Studierenden bei der Immatrikulation bzw. der Rückmeldung jedes Semester zu entrichten ist. Dass der Vertrag ausläuft oder aufgekündigt wird und neu verhandelt wird, ist ein gewöhnlicher Vorgang. Stets gab es diese Verhandlungen in den vergangenen Jahren zumeist samt "Preisanpassung", die freilich immer eine Erhöhung war - weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. In diesem Jahr verhält es sich anders. Groß ist das öffentliche Interesse am Semesterticket, weil - so heißt es - selbiges auf der Kippe stehe. 
Das Fortbestehen des Tickets sei ungewiss, so lautet die einhellige Einschätzung aller Beteiligten und Unbeteiligten. Eine Gelegenheit das Semesterticket, die Akteur_innen und den Regensburger Nahverkehr genauer unter die Lupe zu nehmen.

Eine Bestandsaufnahme 
Wie ist der Verhandlungsstand? Seit Jahren schon beklagt und verzeichnet der RVV steigende Kosten - der Strom, der Treibstoff, die Löhne, die Investitionen, die Erweiterung des Verkehrsgebiets... (die Inflation nicht zu vergessen). Bei 49 Euro liegt der derzeitige Betrag des Semestertickets, vor zehn Jahren waren es noch knapp 30 Euro. Dazwischen ging es unregelmäßig aber stetig aufwärts mit dem Preis. Eine irgendwie nachvollziehbare Entwicklung - möchte man meinen, die Dult-Mass wird auch nicht billiger. Nun fordert der RVV, dass zum April 2013 der Ticketpreis auf 72 Euro steigen müsse, was einer Erhöhung von etwa. 47% entspricht (sogar 75 Euro waren zeitweise schon im Gespräch). Das Studentenwerk hat derweil ein Angebot von 59 Euro (+ 20% gegenüber dem jetzigen Preis) unterbreitet und eine absolute Schmerzgrenze bei 63 Euro (+ 29%) angesetzt (1). Letztere dürfe aus rechtlichen Gründen nicht überschritten werden, da Klagen von Studierenden das gesamte Semesterticket kippen könnten (2). Die Studierenden-vertretung der Universität, insbesondere der Sprecher_innenrat und der studentische Senator Mardi haben sich diesem Angebot angeschlossen. Unterstützung dafür gibt es seitens der Hochschulleitungen von Uni und Hochschule (3). So stellt sich in aller Kürze in etwa der Verhandlungsstand dar. Im Übrigen sollte nicht unterschlagen werden, dass eigentlich egal ist, was Hochschulleitungen und besonders die Studierendenvertretungen als Verhandlungsangebot äußern, da sie in den Vertrag nicht involviert sind.

Anschlussmodell - ein Versöhnugsvorschlag?
Wieso verlangt der RVV eine solch drastische Preiserhöhung? Es ist allseits davon die Rede, dass die in seinem Bedienungsgebiet verkehrenden Bahngesellschaften DB regio, Vogtlandbahn und agilis ihren bisherigen Anteil am Semesterticket (7 Euro) satt erhöht haben wollen, da nun weitaus mehr Studierende den Schienenverkehr nutzen als dies bei früheren Verhandlungen der Fall bzw. bekannt war. Die Bahnen also sind schuld, darin sind sich alle einig.
Um die Wogen zu glätten und die unversöhnlichen Angebote zueinander zu führen, kursiert nun ein sogenanntes Anschlussmodell, das für die RVV-Zonen 1 und 2 (Stadtgebiet) verpflichtende 49 Euro vorsieht und von Zone 4-9 optionale Zusatzmodule. Je nach Bedarf sozusagen. Bis Zone 9 sollen es dabei bis zu 430 Euro werden - im Semester wohlgemerkt. Favorisiert wird dieses Modell u.a. vom Regensburger Oberbürgermeister Schaidinger, der zugleich qua Amt im Aufsichtsrat des RVV sitzt. Sein Vorsitzender dort, der Regensburger Landrat Mirberth hingegen spricht sich deutlich gegen das Anschlussmodell aus, das gerade außerstädtische Studierende stark benachteilige. Freilich hält auch er eine Anhebung des Betrags um 20% für moderat (4).
Gewiss, die Lage scheint in der Tat sehr zugespitzt, ist aber wie einleitend angedeutet, an sich keine wirkliche Neuigkeit. Das Studentenwerk hat stellvertretend für die Studierenden das Interesse an einer möglichst geringen Preissteigerung, der RVV hat das Interesse möglichst viel Geld durch das Semesterticket rauszuholen. Das war schon immer so. Verschärfend kommen in den Interessenlagen die erhöhten Ansprüche der Bahngesellschaften hinzu, die der RVV 1:1 an die Studierenden weiterreichen möchte. 

Die Studierenden sind wichtig für den RVV
Eine vertrackte Situation ist oft nicht die beste Ratgeberin, so dass es auch nicht verwunderlich ist, dass sich alle Seiten denkbar unklug verhalten. Der RVV, der nun wahrlich nicht den besten Ruf genießt und ohnehin eine fragwürdige Preispolitik verfolgt, wäre gut beraten, sich weniger eisern zu geben, zumal ein potentieller Fahrgaststamm von 28.000 Studierenden auf dem Spiel steht. 28.000 verkaufte Tickets mit deren Einnahmen (immerhin etwa 2,7 Mio Euro) man sicher planen und kalkulieren kann - ökonomisch gesehen eigentlich ein Traum. Möchte der RVV diese komfortable Situation ernsthaft aufs Spiel setzen? 
Die Mehrheit der Studierenden nutzt den öffentlichen Nahverkehr in und um Regensburg. Die meisten davon wohl insbesondere aufgrund des Semestertickets. Durch das Scheitern der Ticketverhandlungen würde dem RVV ein Haufen Fahrgäste durch die Lappen gehen. Allerdings: genau das könnte auch die Absicht sein, vielleicht auch, um das Image der überfüllten Buslinien (insbesondere 2B, 4, 6 und 11) aufzupolieren und überhaupt die Busse ein bisschen zu leeren. Ernsthaft? Soll das ökonomisch klug sein?

Die Rolle der Studierendenvertretung
Um ökonomische Klugheit geht es der Studierendenvertretung gewiss nicht. Die Studierendenvertreung wirbt u.a. mit einer Open Petition für ein Semesterticket, das "Fair. Solidarisch. Ökologisch" sein sollte. Wie gesagt ist die Meinung der studentischen Vertretungspersonen und -gremien für die Verhandlungen nicht von Belang. Umso unverständlicher ist es, warum man hier eine 20-prozentige Erhöhung für fair, solidarisch und ökologisch hält. Die Studierenden haben in dieser Debatte nichts außer einem bewährten, solidarisch finanzierten (darauf komme ich noch zu sprechen) Tickets zu verlieren. Wieso geht man seitens der Studierendenvertretung also auf diese seltsame Weise in die Offensive? Wieso schlagen Personen, die Studierendeninteressen vertreten sollen ein Mehr von 20% vor, so ganz ohne Not?
Na klar, man will sich als kompromissbereit geben, will den Schein wahren, dass man als Verhandlungspartner auf Augenhöhe wahrgenommen wird und sich selbst wohl tatsächlich für einen solchen hält. Nur auf diese Weise kann ja verkündet werden, man sei in den Verhandlungen die einzige Gruppe, die bereit ist sich zu bewegen - Kompromiss-bereitschaft eben, eine genauso beliebte wie wirkungslose Methode der Studierenden-vertretungen der letzten Jahre. 
59 Euro stehen also im Raum, unter die es realistischerweise nicht mehr gehen wird. Wem einmal ein furchtbar ungeschicktes "Verhandlungsangebot" über die Lippen geht, die/der wird es nicht mehr einfangen können. Dabei ist es auch nur Makulatur, dass der Sprecher_innenrat nunmehr die eigentliche Entscheidung über ein Verhandlungsangebot der Studentischen Vollversammlung überlassen möchte, die am 6.11. zusammentritt. Denn wie soll ein Betrag unter 59 Euro nach außen hin noch vermittelbar sein, zumal die "studentische Stimme" im Vorfeld schon gesprochen hat? Die Dachluke ist damit durchbrochen und der Preis wird natürlich darüber liegen. 
Als Schmerzgrenze geben Mardi und Co. 63 Euro, weil 150% des studentischen Beitrags für das Studentenwerk (der ebenfalls jedes Semester von jedem/r Student_in zu entrichten ist und der derzeit 42 Euro beträgt) vom Beitrag für das Semesterticket nicht überschritten werden darf. Im Klartext: das Semesterticket darf nicht mehr als das 1 1/2-fache des Studentenwerkbeitrags sein. Wieso nicht? Eine in dieser Größe ministeriell festgelegte Höchstgrenze stelle hier das Hindernis dar. Eine Kopplung der Beiträge für Semesterticket und Studentenwerk ist also das schlagende Argument, wieso der Preis des Semestertickets keinesfalls über 63 Euro klettern dürfe. Mardi meint hierzu: "Wir können diesem Preis überhaupt nicht zustimmen, weil er die vom Ministerium festgelegte Höchstgrenze von 63 Euro überschreiten würde."(5) Wie bitte? Das Ministerium bestimmt also was für die Studierendenvertretung annehmbar ist und was nicht? Und steckt hier nicht implizit schon das Zugeständnis für 63 statt 59 Euro? Natürlich, die Untergrenze von 63 Euro scheint damit festgelegt. Die Studierendenvertretung sieht ihre Aufgabe offensichtlich darin das Studentenwerk in seinem überzogenen Verhandlungsangebot noch zu übertrumpfen. Im Übrigen zeigt sich RVV-Geschäftsführer Raab von der 63-Euro-Grenze unbeeindruckt (6).

Ein Fehler in doppelter Hinsicht
Es ist ein Kreuz. Nachdem der Sprecher_innenrat eine Petition zum Thema RVV-Semesterticket im Netz entdeckte, versuchte er bei der antragstellstellenden Person, einer pendelnden Studentin (Name ist mir bekannt) zu intervenieren und sie zu drängen die Petition wieder rauszunehmen, weil sie nicht gut genug sei und stattdessen eine vom Sprecher_innenrat selbst entworfenen mitzuzeichnen (der entsprechende Nachrichten-Verkehr liegt mir vor). Zurecht war die Petitionsstellerin nicht bereit als Betroffene (sie wohnt in der RVV-Zone 8) ihre Petition zurückzuziehen, so dass sich bei Open Petition nun zwei Petitionen zum Thema RVV-Semesterticket finden. Einmal die Petition, die ein faires, solidarisches und ökologisches Ticket fordert und auf die Nennung eines Betrags verzichtet und eine Petition, die sich konsequent gegen eine Erhöhung des Tickets wendet. Nein, letztere ist nicht von der Studierendenvertretung, denn die würde damit vermutlich ihre nicht vorhandene Verhandlungsposition schwächen. Denn offensichtlich glaubt die Studierendenvertretung der Universität, dass durch ein Bekenntnis zum jetzigen Betrag und den entschlossenen Einsatz gegen eine Erhöhung die Verhandlungen mit den Verantwortlichen (und Unverantwortlichen) damit gefährdet wären. Diese Auffassung ist in doppelter Hinsicht ein Fehler - ein gravierender Fehler. Erstens und das kann man nicht oft genug betonen, ist die Studierendenvertretung überhaupt kein befugter Verhandlungspartner und sollte ihre Energien entsprechend auch nicht in Pseudoverhandlungen vergeuden. Das Votum des Sprecher_innenrats, der studentischen Senatoren und des Konvents zählt nichts. Für den formalen Ausgang der Verhandlungen über ein neues Semesterticket ist es also unbedeutend, was seitens der Studierenden vorgeschlagen wird. Zweitens ist es gerade auch deswegen fatal von selbst eine 20-prozentige Erhöhung für vertretbar zu erklären. Informell zählt natürlich die "Meinung der Studierenden", insbesondere dann, wenn sie die den Plänen der "Gegenseite" in die Hände spielt, die 63 Euro gerne als Verhandlungsuntergrenze aufgreifen wird. Nicht zu vergessen: diese Untergrenze könnte auch 49 Euro sein. Anstatt sich aber gegen eine Erhöhung zu wehren, wird diese seitens der Studierenenvertretung einfach so akzeptiert und läuft damit dem Interesse der meisten Studierenden entgegen.

Die Ticket-Solidarität
Klar, es gibt auch Studierende, die ohnehin nichts vom Semesterticket halten, da sie es als Zwangsabgabe betrachten, die ihr eigenes Fahrverhalten völlig unberücksichtigt lässt. Wieso sollen sie verpflichtend für ein Busticket zahlen, das sie unter Umständen gar nicht nutzen? Diesem Einwand zu begegnet, geht nur über die Gruppensolidarität der Studierenden untereinander. Nur durch die große Zahl der Studierenden, ist ein moderater Ticketpreis zu rechtfertigen und zu halten. Laut einer Erhebung des RVV im Jahr 2009 nutzten 90% der Studierenden das Ticket mindestens sporadisch und 65 % regelmäßig (7). Geht man vom Jahr 2011 aus, so verzeichnet der RVV nach eigenen Angaben täglich etwa 100.000 "Beförderungsfälle". Zieht man hierbei die Erhebung von 2009 zurate, so ist in etwa davon auszugehen, dass von den 25.369 Studierenden (2011) knapp 16.500 regelmäßig (was so einigermaßen täglich bedeuten könnte) das Beförderungsangebot nutzen. Also: 16,5% der Beförderungsfälle sind studentisch. (8)
Fakt ist: die meisten Studierenden profitieren vom Ticket, denn vergleichbare Angebote des RVV, wie beispielsweise Monats- oder Ökotickets sind bedeutend teurer. Ganz zu schweigen von Einzelfahrten, derer man sich innerhalb der Zonen 1-2 für 49 Euro genau 24 leisten kann, innerhalb aller 9 Zonen 4 (!) - zweimal hin und zurück. Für jemanden der/die das Ticket nicht nutzt, ist der verpflichtend zu entrichtende Betrag natürlich ärgerlich, allerdings ein (wohl nicht ganz freiwillig) Akt der Solidarität. Nur weil eben alle, unabhängig davon wo sie wohnen, ob sie 2 BMWs in der Garage haben, ob sie an Uni oder Hochschule studieren, ob sie täglich, nur nachts, nur am Wochenende das Ticket nutzen, den gleichen Betrag zahlen, profitieren diejenigen davon, die es rege nutzen. Gleichmacherei? Und wenn schon - Härtefallregelungen, weil der Bub mit Papas Benz und nicht mit dem RVV-Benz zur Uni fährt und trotzdem zahlen muss, sind nicht ernsthaft vonnöten. Nur weil und wenn alle den gleichen Betrag zahlen, hat die studentische Solidarität und damit das Semesterticket selbst eine Zukunft.

Benachteiligung von Studierenden vom Land
Viele Studierende sind auf das Semesterticket schlichtweg angewiesen. Sie brauchen es, um von zuhause zu ihrer jeweiligen Bildungsanstalt und wieder zurück zu gelangen. Gerade diejenigen, die nicht im Regensburger Stadtgebiet, sondern außerhalb im Landkreis Regensburg oder anderen Landkreisen im RVV-Gebiet wohnen. Fällt das solidarisch finanzierte Ticket, verlieren viele aus finanziellen Gründen die Möglichkeit an Uni oder Hochschule zu studieren oder können Studium nur unter erheblichem Mehraufwand weiterführen. Gerade aus bildungspolitischen Gründen ist es geboten, dass Semesterticket bleibt, ohne Wenn und Aber. Das sogenannte Anschlussmodell kann diesem Anspruch entsprechend auch keine ernsthafte Variante sein, zumal sie die Land-Studierenden gegenüber den Stadt-Studierenden unverhältnismäßig benachteiligen würde. Nicht alle wollen oder können in die Stadt ziehen und es wäre gerade angesichts der Mietpreisentwicklung in Regensburg ein Hohn alle um jeden Preis in die Stadt treiben zu wollen. Das Anschlussmodell kann man nur als den Versuch einer systematischen Benachteiligung von Studierenden vom Land deuten.

Die Kernaufgabe des ÖPNV
Der Erhalt des Semestertickets ist jedoch nicht nur aus bildungspolitischen Gründen wichtig. Vielmehr sollte ein allgemeines politisches Interesse am Erhalt des Tickets bestehen. Es ist nicht zuletzt eine wesentliche Aufgabe von Kommunalpolitik und des öffentlichen Nahverkehrs Menschen Mobilität zu ermöglichen. Entgegen vielen betriebswirtschaftlichen Sichtweisen ist es keine unbedingt erstrebenswerte Norm des ÖPNV, dass er sich "rechnet". Der RVV muss nicht schwarze Zahlen schreiben, wovon er ohnehin meilenweit entfernt ist. Seine Aufgabe ist es Menschen die Möglichkeit zu geben von A nach B zu kommen. Er ist dazu da, um Erwerbstätigen den Weg zum Arbeitsplatz und wieder zurück zu ermöglichen, um Lehrende und Lernende sicher zu Uni, Hochschule, Schule etc. zu befördern, um Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen, ihnen die Fahrt zu Bildungseinrichtungen, Freizeitaktivitäten, Kultur- und Einkaufsangeboten zu vereinfachen.
Davon nun ist der RVV auch meilenweit entfernt. Nach wie vor sind keine Tarife für einkommens- und vermögensschwache Menschen realisiert oder in Planung. Nach wie vor sieht sich der RVV und sieht ihn die verantwortliche Politik nicht primär als ein Mittel der öffentlichen Daseinsvorsorge. Doch genau dies ist eigentlich die Kernaufgabe des ÖPNV.

Fazit:
Sollte das Fortbestehen des Semestertickets scheitern, so scheitert damit ein Stück weit öffentlicher Daseinsvorsorge in und um Regensburg. Es scheitert damit auch der Anspruch an eine attraktive Studierendenstadt und -region, als die sich Regensburg gerne präsentiert. Ohne Zweifel: das Ticket trägt viel zu dieser Attraktivität bei. Scheitert es, so erringen ein weiteres Mal (teil)private und profitorientierte Verkehrsunternehmen (siehe vor allem die Bahngesellschaften) einen Etappensieg gegen das Gemeinwohl.
Und weil der RVV allein, aber nicht nur aus Imagegründen kein wirkliches Interesse an diesem Scheitern haben kann, sondern mit seiner bisherigen Strategie wohl darauf setzt, eine saftige Preiserhöhung durchzusetzen, sollten sich die Studierenden hüten, ihm die Erhöhung auf dem Silbertablett zu präsentieren. Stattdessen sollten sie sich dazu durchringen nun endlich ein Ende der andauernden Preistreiberei zu fordern und die 49 Euro für das Ticket nicht kampflos aufzugeben. Auch in der Politik sollte man sich langsam (oder besser schnell) Gedanken machen, ob nicht bald durch eine verordnete Betragsdeckelung oder höhere öffentliche Zuschüsse die nach oben schießende Preisspirale gekappt werden sollte. 

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Montag, 18. Juni 2012

Wählen lassen und Fresse halten!

Ein Kommentar von Marion Schmid
Die Autorin ist politisch aktiv beim SDS Regensburg und kandidiert bei den anstehenden Hochschulwahlen auf der Konventsliste der Bieraten.
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Die alljährliche Posse „Hochschulwahlkampf“. Es ist ja sicherlich alles ganz nett gemeint, aber wenn ich mir einen ehrlichen Kommentar erlauben darf: Jedes Jahr die gleiche Scheiße.
Viele Beteiligte geben sich auf einmal ganz busy, kommen in Sakko und Seidenstrümpfen an die Uni und die VertreterInnen der einzelnen etablierten Hochschulgruppen und Spaßlisten überschlagen sich fast in ihrem Aktionismus. Wahlprogramm hier, provokantes Plakat dort und dazu ein aussagekräftiges Statement. Am besten so was wie „Für eine starke Stimme“. So oder so ähnlich.
Bei etwas genauerem Hinsehen sieht das so aus: Die Bunte Liste streut Wahlflyer: 'Das haben wir schon erreicht' und 'Das wollen wir noch erreichen' und veröffentlicht erneut ein Grundsatzprogramm. Gute Grundsätze, nur wen interessiert's? W-LAN überall und 100% regenerativer Strom. Find ich super, aber dafür brauche ich aber keinen Konvent. Denn der hat diese positiven Veränderungen nicht bewirkt. Nicht zu vergessen, was seit Jahren auf den Flyern steht: Wir wollen noch erreichen, dass die Studiengebühren abgeschafft werden und bitte mehr Mitbestimmung für Studierende.
Auch die LAF/Juso-Hochschulgruppe ist natürlich für die Wiedereinführung einer verfassten Studierendenschaft, die Erhöhung des BaFöG und – ach ja – die Abschaffung der Studiengebühren. Was sonst? Mit dieser alljährlichen „Forderung“ lockt man aber niemand mehr hinterm Ofen vor. Denn es scheint, als würden diese altbekannten Forderungen nur noch hinterhergezogen, um eben auch eine hochschulpolitische Daseinsberechtigung zu demonstrieren. Sonst könnte man ja gleich alle in einen Topf werfen.

Der RCDS verteilt Wasserflaschen an durstige Sportler. Ja, die haben kapiert, wie man die Stimmen der WählerInnen fängt. Im Wahlkampf gibt man sich betont studentenfreundlich (Anm.: Mit Absicht nicht gegendert) und geht auf alltägliche Probleme ein. Im letzten Jahr noch ganz witzig mit der Forderung „Fleisch statt EHEC“. Heuer die Wasserflaschen für die Sportler. Außerdem gibt’s ein Wahlprogramm 2012: Mehr Parkplätze, sicherer Weg für die Damen spät abends (am besten videoüberwacht), längere Cafeten-Öffnungszeiten. Da schlägt das Studentenherz höher. Mit Studiengebühren hat man sich abgefunden und was will ich mit studentischer Mitbestimmung, wenn ich an der Uni eh nur drei Jahre meinen Bachelor of Arsch mache.
Weiter sind für den studentischen Konvent noch die Fachschaftsinitiativen Lehramt und Zahnmedizin sowie das BLLV-Heim aufgestellt, die sich aber aus dem hochschulpolitischen Kleinkrieg weitestgehend raushalten. Jedoch lassen diese Wahlvorschläge vermuten, wohin der Weg gehen soll. Weg vom politischen und Hin zu den alltäglichen Problemen. Vor einigen Semestern gab es dafür übrigens eine extra Hochschulgruppe: PdA (Probleme des Alltags).
Nicht zu vergessen natürlich die Schwarze Liste, die nun schon das zweite Mal antritt und sich momentan mit den Bieraten darum streitet, wer das meiste Bier verträgt. Ein etwas anderer Wahlkampf, von dem man denken kann, was man will. Jedoch kann eine Spaßliste nicht ernsthaft für eine Verbesserung der derzeitigen Studiensituation kämpfen. Diese Listen machen sich entweder einen Spaß aus dieser Posse oder sie karikieren das derzeitige Treiben.

Mitglieder des SprecherInnenrates (unglaubliche 350 Facebook-Likes) springen regelmäßig für eine Fortbestehen des studentischen Konvents in die Bresche. Logisch, denn schließlich wird der SprecherInnenrat vom Konvent gewählt. Also angeblich gewählt. Eigentlich wird sich ja schon vorher ausgemacht, wer für welche Posten in Frage kommt und so steht in der Sitzung dann meist pro Referat auch nur ein Kandidat oder eine Kandidatin zur 'Wahl'.
Jedenfalls weist der SprecherInnenrat Kritikerinnen und Kritiker auf Anfrage regelmäßig auf Folgendes hin: Man möge doch bitteschön endlich annehmen, dass die Studierendenvertretung (und dabei scheint es egal, in welcher Form diese besteht, gewählt ist schließlich gewählt) sehr wohl positive Veränderungen herbeigeführt hätte. Der Punkt, dass nichts (und wenn dann überhaupt nur sehr wenig) auf Initiative der VertreterInnen im Konvent passiert ist, wird in konsequenter Weise mit Nichtbeachtung gestraft.
Für die restlichen Studierenden ist schwer nachzuvollziehen, was eigentlich in den Sitzungen geschieht, denn Protokolle werden seit Mai 2011 nicht mehr veröffentlicht. Wenigstens versucht der SprecherInnenrat, auf seiner Facebook-Seite zeitnah auf Sitzungen hinzuweisen, stets mit dem Vermerk, dass jedeR willkommen sei. Dass diese Einladungen selten bis gar nicht angenommen werden (übrigens beizeiten auch von gewählten VertreterInnen), nimmt man wohl als Rechtfertigung dafür, dass das alles schon so passen würde. Und daneben wird eben in regelmäßigen Abständen vom SprecherInnenrat aufgezählt, was man schon alles erreicht hätte oder woran gerade gearbeitet werde. Ohne Zweifel viele unterstützenswerte Dinge, wie Einführung von Richtlinien für eine familienfreundliches Studium oder veganen Essens in der Mensa. Doch niemand erklärt mir auf nachvollziehbare Art und Weise, warum dies eine Rechtfertigung dafür ist, sich für ein Fortbestehen des Konvents in seiner derzeitigen Form einzusetzen. JedeR einzelne kann sich beim Studentenwerk beispielsweise für veganes Essen in den Cafeten oder der Mensa einsetzen. In dem Fall hat meine Stimme nicht weniger oder mehr Gewicht als die eines gewählten Vertreters oder einer gewählten Vertreterin. Aber erklären, wie das geht, das tut niemand. Mir wird nur erklärt, wie ich wähle, wen ich wähle und für was das gut sein soll. Ach, und wenn ich Fragen habe, kann ich natürlich jederzeit im Büro des SprecherInnenrates über der Uni-Pizzeria vorbeischauen. Wenn ich da aber vorbeischaue und darum bitte, mir den Ordner über die aktuellen Verwendungsvorschläge der Studiengebühren durchsehen zu können, wird’s schon etwas schwieriger. Das seien Interna. Ja, Interna die auch mich betreffen, denn ich überweise diese Studiengebühren. Das ist nicht die Hilfe, die ich mir von einer Studierendenvertretung erwarte. Und zum Thema „Offen für JedeN“, dass sich auch der SprecherInnenrat auf die Fahnen schreibt: Einer Kommilitonin, die im Büro des SprecherInnenrates nachgefragt hatte, wo man hier so mitarbeiten könne wurde gesagt, sie solle sich doch erstmal in einer Fachschaft engagieren, um einen Einblick zu bekommen.

Scheinbar fühlen sich alle ganz wohl in dieser hochschulpolitischen Blase, aus der man merklich nur in Wahlkampfzeiten ausbricht. Kurz. Und dann verschwindet man wieder im Unialltag und für die nächsten Monate ist Ruhe im Karton und das Spiel beginnt von Neuem. Ich frage mich, warum Hochschulgruppen wie die Bunte Liste oder die LAF/Jusos immer noch dieses System der Scheindemokratie unterstützen, wo sie doch eigentlich laut Wahlflyern für eine studentische Mitbestimmung kämpfen. Warum weigert man sich konsequent, neue Wege zu beschreiten, mal ein Experiment zu starten, wie beispielsweise die Wahl zu boykottieren? Das Einstehen für die eigenen Ideale muss doch mehr sein, als eine einfach Gewinn- und Verlust-Rechnung. Wo bleiben die neuen Ideen, der Pfeffer, der Aufruhr und die Unangepasstheit? Wer, wenn nicht wir? Gähn. Ich frage mich manchmal schon, wohin die politischen Ideale beispielsweise der Besetzung oder zahlreicher Demos verdampft sind. Entweder sind die Vertreterinnen und Vertreter mittlerweile zermürbt (was die ungewohnt hohe Anzahl an KandidatInnen-Frischfleisch erklären würde) oder – was bedeutend schlimmer wäre – sie haben sich den Gegebenheiten angepasst.

Vielleicht ist es auch Angst, dass man sich eingestehen müsste, man hätte den falschen Weg gewählt. Aber aus Fehlern lernt man doch, oder? Nein, natürlich ist es kein Fehler, sich in der Art und Weise zu engagieren, wie es uns das bayerische System vorgibt, warum auch? Schließlich werden wir ab und an auch mal gepampert, wenn wir von MedienvertreterInnen beachtet werden oder aus der Verwaltung angeblich ziemlich vertrauliche Infos kommen. Aber was nützen mir denn diese Infos? Nichts, denn dadurch dass ich sie vertraulich behandeln muss, mache ich mich zum Spielball. Und ich lasse mich gegen die Leute ausspielen, deren Vertretung ich eigentlich sein sollte. Dann frage ich mich schon, was diese Informationen und die zeitweise Beachtung meiner Arbeit noch wert sind. Einen feuchten Dreck nämlich. Denn dann habe ich mich verkauft. Aber wer lässt sich heutzutage schon noch von und mit Idealen beeindrucken. Neuerdings sieht das so aus: WählerInnen kriegt man, wenn man für mehr Ketchupspender und flächendeckendes W-LAN ist. In diesem Punkt kann sehr wohl man alle in einen Topf werfen. Und die BLer und Jusos hängen sich noch Parolen an wie „Abschaffung der Studiengebühren“ oder „Mehr studentische Mitbestimmung“. Aber wer soll euch das glauben? Ich glaub's nicht mehr. Ist für mich nicht mehr als ein schöner Schlüsselanhänger. Vielleicht hat ja der RCDS heuer einen im Angebot.

Ich habe keinen Masterplan. Ich weiß auch nicht, welcher der richtige Weg ist. Was aber gerade und in den vergangenen Semestern an der Uni Regensburg auf hochschulpolitischer Ebene passiert ist und passiert stößt mir ziemlich sauer auf. Und ich verstehe beim besten Willen nicht, warum man an einem System festhält, das die freie Entfaltung der Studierenden seit Jahrzehnten untergräbt. Bei Kritik folgen wahlweise Selbstbeweihräucherung oder Selbstmitleid. Man gebe sich soviel Mühe, es mache alles soviel Arbeit und schließlich erreiche man ja auch etwas. Nur eben halt langsam. Aber neue Wege beschreiten, dafür ist scheinbar nicht die Zeit. Die Wahl zu boykottieren, wie der SDS, nein, das wäre nicht das richtige. Aber warum sträubt man sich so dagegen? Man müsste dann schließlich die hart erarbeiteten Posten aufgeben. Dass man hier im Sinne der Studierenden handeln würde, das glaub doch kein Mensch mehr. Die Arbeit und das Engagement einiger studentischer VertreterInnen möchte ich nicht schmälern. Aber es ist mir einfach zu angepasst. Ich sage ja nicht: „Bitte tut nichts mehr.“ Ich fordere einfach: „Macht es anders! Lasst uns gemeinsam etwas verändern!“ Und bitte auf der sachlichen und konstruktiven Ebene. Auf persönlichen Kleinkrieg kann ich getrost verzichten...

Vielleicht ist es einfach nicht die Zeit. Vielleicht ist es vergebliche Liebesmühe, ständig darauf zu pochen, sich doch einfach mal aufzulehnen. Wenigstens ein bisschen. Aber diese Spiel nur zu beobachten, ohne es zu kommentieren, ist schlimmer. Und deswegen habe ich dieses Statement abgegeben. Wohlwissend, dass ich mir damit in der Hochschulpolitik sicherlich keine FreundInnen mache. Aber ich muss ja nicht freundlich sein und mich den Gegebenheiten anpassen.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Strothotte feiert das Deutschlandstipendium - vor allem aber die regionale Wirtschaft

Es war ja wirklich nur eine Frage der Zeit, bis es eine große Feier anlässlich der Vergabe der Deutschlandstipendien und des Deutschlandstipendiums selbst geben wird. Seit Längerem ist zu beobachten wie der Rektor der Universität Regensburg Prof. Thomas Strothotte sich dieses Themas mit viel Eifer annimmt. Ja, es ist ihm wahrlich eine Herzensangelegenheit

Am 23.01.2012 um 17 Uhr wird in den H 24 im neuen Vielberth-Gebäude geladen, um einerseits die 76 angehenden StipendiatInnen zu beehren und andererseits - was viel wichtiger ist - den großzügigen und "zahlreichen Stiftern persönlich zu danken“, da diese „mit ihrem vorbildlichen Engagement [...] Verantwortung [übernehmen]“ und dabei helfen „unsere Region als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort voranzubringen" - so Strothotte wörtlich. Man darf gespannt sein.

Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen diesem Spektakel beizuwohnen. Wir nehmen diese Einladung gerne an und werden ausführlich berichten.

Eine Pressemitteilung der Universität Regensburg zu dieser Veranstaltung findet sich hier.

Freitag, 6. Januar 2012

Die Ideologie hinter dem Deutschlandstipendium - warum Strothotte das Stipendium so feiert

Vielleicht sind schon manche über die Newsmeldung der Universität Regensburg mit dem Titel „Ein besonderes Geschenk für 76 Studierende“ auf der Universitäts-homepage gestolpert. Was sich so kurz vor Weihnachten wohl dahinter verbarg? Ganz klar: 76 Studierende dürfen sich freuen, denn ihnen hat das Christkind in Kooperation mit dem Bund, dem Rektor der Universität Regensburg und privaten GeldgeberInnen ein Deutschlandstipendium unter den Tannenbaum gelegt. Das ist ja wahrlich eine Freude, oder? Das UR-Watchblog hat das Ganze im Kontext des Wirkens des Rektors Prof. Dr. Thomas Strothotte genauer unter die Lupe genommen. 

Von Johanna Ertl, Martin Oswald und Marion Schmid

Großzügigkeit für die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes

76 Studierende bekommen an der Universität Regensburg ein Stipendium. Sogar der Oberbürgermeister und der Rektor selbst finanzieren jeweils ein Stipendium. Auch Lehrende werden gebeten sich zu beteiligen. Ein Projekt also, bei dem alle an einem Strang ziehen, um bedürftigen Studierenden ein besseres Auskommen zu gewähren? Damit auch Studierende aus sozial benachteiligten Verhältnissen sorgloser studieren können? Oh nein, darum geht es natürlich nicht. Worum es eigentlich geht, verrät schon der erste Satz der Newsmeldung:
„Nachwuchsförderung liegt den Partnern der Universität Regensburg am Herzen. Sie unterstützen junge Menschen gezielt bei der Entfaltung ihrer Talente und tragen auf diese Weise zur Zukunftsfähigkeit des Wirtschaft-standortes bei.“
Die Partner der Universität haben also ein Herz für junge Menschen und selbstverständlich auch für die Region. Und da beides so schön Hand in Hand geht und die wirt-schaftliche Verwertbarkeit der Talente junger Menschen offenbar ein ganz wesentlicher Universitätszweck ist, kann so ein Deutschlandstipendium eine richtig tolle Sache sein. Die Partner der Universität fördern Studierende, um damit zugleich den Wirtschaftsstandort zu fördern. Klasse Idee. Dass die Studierenden dabei nur Mittel zum Zweck sind, ist nicht so wichtig. Viel wichtiger ist welche Großzügigkeit das Deutschlandstipendium hervorlocken kann:
„Neben Unternehmen der Region, Institutionen und Vereinen unterstützen auch zahlreiche private Mäzene die Deutschlandstipendien an der Universität Regensburg. Eine besondere Idee hatte Dr. Nicolas Maier-Scheubeck, Geschäftsführer der Maschinenfabrik Rein-hausen GmbH (MR). Anlässlich seines runden Geburtstags in diesem Herbst bat er seine Freunde, anstelle von Geschenken die Deutsch-landstipendien zu unterstützen. Der auf diese Weise gespendete Geldbetrag wurde von Dr. Maier-Scheubeck großzügig aufgerundet, so-dass die Universität Regensburg aus dieser Aktion mehrere Stipendien an Studierende vergeben kann.“
Dr. Maier-Scheubeck, ein wahrer Menschenfreund. Ein Unternehmer verzichtet auf Geburtstagsgeschenke, um Studierenden Weihnachtsgeschenke zu ermöglichen. Eine Win-win-Situation par excéllence. Da gibt´s also das Leistungsgütezertifikat samt 300 Euro unter dem Weih-nachtsbaum und Maier-Scheubeck freut sich, dass er den Wirtschaftsstandort Regensburg stärkt. Und Rektor Stro-thotte freut sich gleich mit.
Letzterer führt auch gleich acht gute Gründe an, warum sich private GeldgeberInnen beteiligen sollten: Gesell-schaftliches Engagement, Schaffung von Mehrwert, Netzwerkerweiterung, Imagegewinn, Stärkung der Region, Förderung von Talenten, Talent Management und Steuervorteile. Attraktive Aussichten für Unternehmen. Wie intensiv und zuvorkommend die Universität um Förderer wirbt, dürfte selbst in schleimerprobten Kreisen als eine sehr gebieterische Anbiederung verstanden werden. Ein Rektor, der fast auf Knien mit Hut in den Händen um jeden einzelnen Cent für den „leistungsfähigen Nachwuchs“ bettelt und dabei um keine Lobeshymne auf die Geldgeber verlegen ist. Es hat System im System Strothotte, denn es geht um Image, jede Menge Geld und Kungelei. Um Studierende geht es dabei nicht wirklich. 
Fassen wir zusammen: ein paar Studierende bekommen ein bisschen Geld, private Mäzene und Unternehmen gute Presse und die Universität... ja, was bekommt die Universität eigentlich?

"Zukunftsweisende Hochschulpolitik ist Standort-politik"

Finanziell profitiert die Universität nicht vom Deutsch-landstipendium, im Gegenteil: durch Werbemaßnahmen, die Zusammenstellung des Vergabegremiums, die Geld-verwaltung, die Akquise und weitere bürokratische Akte zahlt die Universität vermutlich sogar einige Euro drauf. Weshalb also dieser Aufwand? 
Die Universität profitiert vielleicht nicht unmittelbar, mittelbar allerdings schon - so zumindest die Hoffnung von Rektor Strothotte. Denn seit seinem Amtsantritt betreibt der sonst eher glücklose und wenig angesehene Strothotte eine Profilbildung der Universität, die ganz im Zeichen des neoliberalen Zeitalters steht. Unnachgiebig in Fragen der Studiengebühren oder studentischer Mitbestimmung feilt er an der Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit der Universität Regensburg.
Allerdings ist er dabei auch nur ein Getriebener. "Studien" wie etwa das Papier "Mehr Exzellenz an bayerischen Hochschulen - Herausforderungen und Handlungs-empfehlungen" der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw) von 2009 dürften sich in seiner obersten Schreibtischschublade befinden. Strothotte, der darin selbst als Workshopteilnehmer in der Danksagung geführt wird, ist ausführendes Organ der in diesem durch und durch neoliberalen Pamphlet formulierten Handlungsanleitungen an die entfesselte und unternehmerische Hochschule (für die Projektdurchführung war übrigens der Bertelsmann-ableger CHE Consult beauftragt). Folgender Satz des Hauptgeschäftsführers der vbw Brossardt aus dem Vorwort der Studie könnte glatt von Strothotte stammen: 
"Eine zukunftsweisende Hochschulpolitik ist Standortpolitik. Die bayerische Wirtschaft braucht hervorragend ausgebildete Hochschul-absolventinnen und -absolventen. Sie sind die Basis für Innovationen und damit für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit bayeri-scher Unternehmen." 
In punkto neoliberaler Phrasendrescherei nehmen sich die beiden nichts.

Manager Strothotte kommerzialisiert die Univer-sität

Doch zurück zur Universität Regensburg. Die Teilnahme an der Exzellenzinitiative für die Graduiertenschule Ost- und Südosteuropastudien, die fast schon diebische Freude über mehrere „Spitzenplätze“ in einer CHE-Sonderauswertung Ende 2011, die Benennung eines ganzen Universitäts-gebäudes nach einem - wohlgemerkt noch lebenden - Immobilienunternehmer (siehe SignatUR Oktober 2011, S. 25), die verstärkte Zulassung von Promoting-Veranstal-tungen am Campus, die zunehmende Einwerbung von Drittmitteln (siehe Jahresbericht 2010, S. 11/12) etc. Eine nicht enden wollende Vermarktungs- und Kommer-zialisierungskette an der Universität Regensburg. 
Und nun das Deutschlandstipendium - ein Public-Private-Partnership-Projekt (PPP) im Bildungsbereich. Wozu? Um mit Strothotte zu sprechen: 
„Die gemeinsame Förderung durch private Mittelgeber und Bund unterstützt die Stipendiaten beim Erreichen ihrer Studienziele und stärkt die für unsere Zukunftsfähigkeit immer bedeutsameren Netzwerke von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.“ (Link
Und Manager Strothotte hat natürlich noch eine weitere Weisheit auf Lager:
„Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes hängen mehr denn je von gemeinsamen Spitzenleistungen aus Wirtschaft und Wissen-schaft ab.“ (Link)
Es verwundert daher nicht mit welchem Nachdruck der Rektor das Deutschlandstipendium forciert. Schließlich ist es ein medien- und öffentlichkeitswirksamer Weg, um weitere Drittmittel und PPP-Angebote anzuwerben, die Universität zu kommerzialisieren und ihre Autonomie zunehmend in privatwirtschaftliche Abhängigkeit zu führen. Aus dem besonderen Geschenk für 76 Studierende sollen also alsbald ganz viele Geschenke für das Unternehmen Universität Regensburg werden. 
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Hintergundinformation:

Das sogenannte Deutschlandstipendium wurde im Rahmen des Gesetzes zur Schaffung eines nationalen Stipendien-programms (StipG) auf Betreiben der christlich-liberalen Koalition zum 01.08.2010 eingeführt. Nach einiges Anlaufschwierigkeiten begannen die meisten Hochschulen und Universitäten erst im Laufe des Wintersemesters 2011/12 mit der Umsetzung (2/3 aller Hochschulen sollen sich mittlerweile daran beteiligen).
Das Gesetz sieht eine einkommens- und elternunabhängige Förderung von Studierenden mit monatlich 300 Euro vor. Die Hochschulen werben dafür von Privatpersonen, Unternehmen, Alumni etc. jeweils die Hälfte ein, die andere Häflte legt der Bund dazu.
Förderungskriterien sind insbesondere Leistung, gute Noten, gute Berufsausssichten und soziales bzw. studentisches Engagement. Ausgewählt werden die Stipen-diatInnen von eigens dafür geschaffenen Ausschüssen, in denen auch eine starke Beteiligung der privaten Mittel-geberInnen vorgesehen ist. 

Weitere Informationen dazu gibt es hier:

Ein kritischer Artikel zur Einführung des Deutschlandstipendium: 

Freitag, 30. Dezember 2011

Der Winterball im Sommer?

Von Martin Oswald

Da ist man wahrscheinlich recht peinlich berührt bei der Universität Regensburg, der Hochschule Regensburg, dem Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz und den Freunden der Universität Regensburg e.V. Warum?

Am 27.01.2012 wollten die Veranstalter ihren traditionell gemeinsamen festlichen Winterball in der Uni-versitätsmensa begehen. Ein Fest beim dem die akademische Elite mal so richtig das Tanzbein schwingen kann. Auf drei Areas sollte dafür ordentlich eingeheizt werden. Ein feierlicher Tag in angemessenem Am-biente. Doch wird daraus nichts. 

Der Winterball ist abgesagt, weil... tja, weil im Vorfeld niemand wissen konnte, dass am 27.01.2012 seit nun 17 Jahren der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus anlässlich der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee, begangen wird. Seit 2005 ist dieser Tag offiziell internationaler Holocaustgedenktag - wie sollte sich das in so kurzer Zeit in Regensburger Aka-demikerkreisen rumsprechen?

Offensichtlich hat es sich nun rumgesprochen, irgend-jemand muss es den Veranstaltern geflüstert haben und der Winterball wird in das hoffentlich winterliche Frühjahr oder gar den winterlichen Sommer verschoben. Gewiss, Unachtsamkeiten können schon mal passieren. Dennoch könnte man sich bei größeren Veranstaltungsvorhaben zumindest einen Blick in die Wikipedia genehmigen, wenn wichtige Gedenktage schon nicht in den offiziellen Kalendern von Hochschule und Universität auftauchen. 

Vielleicht wäre es auch nicht ganz unangemessen die jetzige Peinlichkeit zum Anlass zu nehmen, um gemeinsam der Opfer des Nazi-Regimes zu gedenken oder eine Veranstaltung über die Rolle der Wissenschaft und der Universitäten im Dritten Reich zu organisieren. Hm, das wäre doch mal was, oder?

Hoffen wir, dass der Ball dann nicht ausgerechnet auf Hitlers Geburtstag fällt.